Wort zum Alltag

SAARBRÜCKER ZEITUNG RUNDSCHAU FÜR MERZIG-WADERN

 

KOLUMNE WORT ZUM ALLTAG

 

Trotz schwieriger Zeiten von Dankbarkeit getragen

 

Die erste Schulferienwoche hat begonnen. Eigentlich wäre ich jetzt auf Segelfreizeit mit Jugendlichen, um Gemeinschaft, Auszeit, besondere Erfahrungen zu vermitteln. Stattdessen finde ich selbst mich in einer Ausnahmesituation wieder.

 

Mitte Juni bin ich beim Gassi-Gehen mit Hund im Wald verunglückt. Ich bin so gestürzt, dass mein rechtes Bein operiert und die rechte Hand gegipst werden musste. Aktuell kann ich mich mithilfe eines Rollstuhls und Gehstützen fortbewegen. Ich, die ich normalerweise ständig in Bewegung bin, bin ausgebremst. Ich erlebe eine Auszeit mit besonderen Erfahrungen.

 

Anfangs war da die Reduzierung auf die Grundbedürfnisse meines Körpers – einhergehend mit dem großen Gefühl von Dankbarkeit. Ich bin gefunden worden, versorgt worden. Im Krankenhaus habe ich die angespannte Personalsituation von Schwestern und Pflegern wahrgenommen, die Freundlichkeit und das Bemühen allen Patienten gerecht zu werden.

 

Ich war dankbar für das Reichen der Bettpfanne und nach acht Tagen noch dankbarer mit Rolli in den geschützten Bereich des WCs geschoben zu werden. Dankbar war ich dafür, gewaschen und eingecremt zu werden und dann noch dankbarer wieder fast selbstständig, dank Sitz, duschen zu können.

 

Inzwischen bin ich zu Hause und kann auch nach draußen auf die Terrasse, um Sonne und Wind zu fühlen. Dank meiner Hilfsmittel bin ich in den eigenen vier Wänden relativ mobil. Dankbar bin ich dafür, wie prompt und selbstverständlich meine Gemeinde, die Haupt- und Ehrenamtlichen, und meine Kollegen und Kolleginnen den Vertretungsdienst organisiert haben.

 

Zurzeit erlebe ich Woche vier im Krankenstand. Meine Kinder unterstützen mich, soweit es geht. Ich werde nach wie vor besucht, ich habe Angebote fürs Einkaufen oder Gassi-Führen, für Fahrdienste zur Physio. Ja, ich bin auf Hilfe angewiesen, aber ich fühle mich auch gesegnet mit so vielen aufmerksamen und hilfsbereiten Menschen in meinem Umfeld.

 

Mir ist sehr bewusst, dass das alles nicht selbstverständlich ist. Dafür bin ich Gott unendlich dankbar. Ich fühle mich erfüllt von den Dingen, die da sind, die ich kann und wieder schaffe.

 

Der Apostel Paulus schreibt in seinen Briefen immer wieder, dass wir dankbar sein sollen in unserem Leben. Denn da, wo wir im Alltag, im zwischenmenschlichen Bereich Gutes und Wohltuendes wahrnehmen, erkennen wir Gott. Dankbarkeit ist eine Haltung, die mich den Blickwinkel ändern lässt und mir eine neue Bewusstheit für Gegebenheiten schenkt. Dafür reicht schon ein kurzes Innehalten. Ich merke, dass sich Dankbarkeit automatisch einstellt in meiner Situation. Ich fühle mich von ihr getragen. Dazu muss ich nicht aufgefordert werden.

 

Schwerer tue ich mich mit Paulus weiterem Aufruf zur Geduld. Dazu brauche ich wohl noch Zeit in der mir gegebenen Auszeit.

 

WIEBKE REINHOLD,

PFARRERIN DER EVANGELISCHEN KIRCHENGEMEINDE WADERN-LOSHEIM